«Wir sind nicht mit der EU kompatibel»

    Kompass Europa lanciert eine Initiative, um die direkte Demokratie in der Schweiz zu sichern. Diese ist zurzeit unter Druck, denn der Bundesrat steht in Verhandlungen mit der EU. Die Schweiz müsste automatisch EU-Recht übernehmen und damit direktdemokratische Mitbestimmungsrechte abgeben. Die Kompass-Initiative will das verhindern. Urs Wietlisbach, Unternehmer, Co-Founder Partners Group und Initiant, gibt hier einen Überblick.

    (Bilder: zVg) Unternehmer und Initiant Urs Wietlisbach: «Unsere direkte Demokratie sowie unser föderales System sind gefährdet.»

    Kompass Europa lanciert eine Initiative, um die direkte Demokratie in der Schweiz zu sichern. Wer steckt hinter Kompass Europa?
    Urs Wietlisbach: Kompass Europa besteht aus über 2500 Schweizer Bürgerinnen und Bürgern – vornehmlich Unternehmer, aber auch Akademikerinnen, Mediziner, Studierende, Kunstschaffende. Wir haben uns vor drei Jahren formiert, um den einseitigen Rahmenvertrag und vor allem die dynamische Rechtsübernahme zu verhindern.

    Der Bundesrat steckt mitten in den Verhandlungen zum Rahmenabkommen 2.0 mit der EU. Sie habe grosse Vorbehalte gegenüber der Institution EU. Können Sie erklären, was Ihnen daran besonders missfällt und wieso dies für Sie nicht ein Vertrag auf Augenhöhe ist, der zu unserem Land passt?
    Auch bei den jüngsten Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel ist die dynamische Rechtsübernahme ein Kernstück. Der Vertrag ist immer noch sehr einseitig zugunsten der EU aufgesetzt. Die Schweiz würde zu einem Passivmitglied der EU werden, was zwangsläufig zu einer übermässigen Bürokratie führt und Schweizer Standortvorteile untergräbt. Das wollen wir nicht und haben deshalb die Kompass-Initiative lanciert. Wir sind nicht mit der EU kompatibel.

    Wieso sind wir nicht kompatibel?
    Unser politisches System basiert auf direkter Demokratie, Konsens, Föderalismus und Neutralität. Das trägt zum heutigen Wohlstand bei. Wir wollen dieses System schützen. Das jetzt verhandelte Rahmenabkommen gefährdet diese Grundwerte mit der vorgesehenen dynamischen Rechtsübernahme und dem EuGH als letztentscheidende gerichtliche Instanz. Deshalb wehren wir uns dagegen.

    Die Kompass-Initiative ist lanciert: Hier an der Pressekonferenz im Medienzentrum in Bern.

    Die Knackpunkte sind nach wie vor die dynamische Rechtsübernahme und Gerichtbarkeit der Europäischen Gerichtshofes EuGH. Was bedeutet dies konkret für den Standortvorteil und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen?
    Die EU kennt über 20’000 Gesetze, die Schweiz etwa 5000. Allein letztes Jahr hat die EU 322 neue Gesetze verabschiedet – eines pro Arbeitstag. Wenn die Schweiz den Rahmenvertrag unterzeichnen würde, wären wir irgendwann auch soweit und hätten die gleichen Gesetze wie die EU. Deshalb sagen wir mit unserer Initiative, dass der Bundesrat Verträge mit so weitreichenden Konsequenzen zwingend Volk und Ständen vorlegen muss.

    Wie meinen Sie das?
    Die Tragweite der dynamischen Rechtsübernahme sowie des Schiedsgerichtsverfahrens des Europäischen Gerichtshofs ist riesig: Es wird stark in die verfassungsrechtliche Ordnung der Schweiz eingegriffen. Unsere direkte Demokratie sowie unser föderales System sind gefährdet. Deshalb ist für uns ganz klar, dass es für solche Fragen die Mehrheit von Volk und Ständen braucht.

    Gibt es in anderen Ländern schon eine Regelung im Sinne der Initiative?
    Das direkt-demokratische System in der Schweiz ist einzigartig. Insofern gibt es keine anderen Länder, mit denen in Bezug auf die Initiative ein Vergleich gezogen werden könnte. In anderen Ländern könnten Bürgerinnen und Bürger ja auch nicht einfach so eine Initiative lancieren, wie wir dies heute tun. Gerade deshalb müssen wir auch Sorge tragen zu unserem System.

    Was passiert, wenn die Initiative angenommen wird?
    Wenn die Initiative angenommen wird, unterstehen völkerrechtliche Verträge, die eine Übernahme wichtiger recht­setzender Bestimmungen vorsehen, dem obligatorischen Referendum. Die direktdemokratische Kontrolle wird gestärkt.

    Wie geht es jetzt weiter? Wie wollen Sie das Volk überzeugen?
    Wir wollen in jeder Schweizer Gemeinde ein Komitee gründen. Jeder, dem die direkte Demokratie wichtig ist, kann mitmachen. Und wir können auf die Unterstützung von Prominenten aus Kultur, Sport und Wissenschaft zählen, wie Kurt Aeschbacher, Bernhard Russi oder Chris von Rohr. Jetzt müssen nur noch mehr Bürgerinnen und Bürger dazukommen und mit uns die Unterschriften sammeln.

    Interview: Corinne Remund

    Weitere Informationen:
    www.kompasseuropa.ch

    Vorheriger ArtikelWie haben Sie es mit den Finanzen, Herr Ritter?
    Nächster ArtikelGrillieren, Kochen, Garen, Backen