Über Geld spricht man nicht. Dieses Tabu gilt in der Schweiz vor allem für Löhne. Kaum jemand weiss, wo er im schweizweiten Vergleich steht.
Die Bank Cler findet, dass es Zeit ist, über Geld zu reden. «Wir sind überzeugt, dass es nur Vorteile bringt, wenn man mit seiner Bank über die finanzielle Situation spricht», erklärt Daniel Rüegger, Regionenleiter Nordwestschweiz bei der Bank Cler. «So erfahren wir etwas über die Lebenssituation und die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden und können sie entsprechend beraten.» Ein grosses Thema, das weitgehend tabu ist, sind die Löhne von Herrn und Frau Schweizer. «Deshalb haben wir uns als Bank gefragt, wie hoch die Einkommen der Unter-, Mittel- und Oberschicht sind und wie sie sich in den letzten Jahren verändert haben.» Gibt es kantonale Unterschiede? Geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf?
Zusammen mit dem Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Economics hat die Bank Cler die Einkommensverteilung der Schweiz und der Kantone für die Jahre 2007 bis 2016 analysiert. Die Daten von 2016 sind die aktuellsten, die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur Verfügung stehen. Die Studie stützt sich auf das Reineinkommen der Haushalte, also bei Doppelverdienern auf das gemeinsam verdiente Geld.
Steigende Einkommen
In der Schweiz sind die Einkommen zwischen 2007 und 2016 spürbar gestiegen. Der durchschnittliche Haushalt profitierte also von der positiven Wirtschaftsentwicklung. Da das Durchschnittseinkommen durch einzelne Spitzenverdiener häufig verzerrt wird – vor allem in kleinen Kantonen – betrachtet man besser das mittlere Einkommen, genannt Median. Das ist der Wert in der Mitte einer der Größe nach geordneten Datenreihe. Der Median betrug 2007 rund 52’400 CHF und stieg bis 2016 um 3’300 CHF an.
Zug an der Spitze
Der Kanton Zug hat schweizweit die höchsten Median-Einkommen, gefolgt von den Kantonen Basel-Landschaft und Zürich. Die Kantone Obwalden und Basel-Stadt holten am stärksten auf. Das Einkommen der Genfer hingegen ging zurück. Am Ende des Rankings stehen die Walliser und Tessiner mit den geringsten Einkommen. «In beiden Kantonen sind die Hochlohnbranchen untervertreten, viele Menschen arbeiten beispielsweise in der Gastronomie», erklärt Daniel Rüegger. Im Tessin spielt zudem die Nähe zum Euroraum eine Rolle: Der Druck auf die Preise und folglich die Einkommen ist wesentlich höher als im Schweizer Durchschnitt.
Schere zwischen Arm und Reich
Interessant ist, dass sich die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 nicht spürbar auf die Verteilung der Einkommen ausgewirkt hat. Insgesamt ist jedoch die Ungleichheit der Einkommensverteilung leicht stärker und somit die Schere zwischen Arm und Reich etwas grösser geworden. Der Anteil der Mittelschicht am Gesamteinkommen lag 2016 mit 27,2 % um 0,7 %-Punkte tiefer als 2007.
Wer gehört zur Mittelschicht?
«Menschen vergleichen sich gerne miteinander, deshalb sind einfache Kategorisierungen beliebt», weiss Daniel Rüegger. Gemäss einer gängigen Definition gehört zur Mittelschicht, wer ein Einkommen von 70% bis 150% des Median-Einkommens hat. Alle darüber zählen zur Oberschicht und wer darunter liegt zur Unterschicht. «Wer also 2016 ein Reineinkommen von CHF 36 680 hatte, gehörte zur Schweizer Mittelschicht.» Das waren 37% der Haushalte. Die Oberschicht bildeten 28 % mit einem Reineinkommen von rund 80’000 CHF pro Haushalt.
Corona hinterlässt Spuren
Die Auswirkungen der Corona-Krise 2020 auf Wirtschaft und Gesellschaft sind enorm. BAK Economics geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung zwischen April und Juni im zweistelligen Prozentbereich einbricht. Für 2020 wird ein Rückgang des Schweizer BIP von -5.8 % erwartet. «Falls die Eindämmung des Virus nicht gelingt und die Schutzmassnahmen im dritten Quartal wieder verschärft werden müssen, sind sogar BIP-Verluste im zweistelligen Prozentbereich wahrscheinlich», erklärt Martin Eichler, Chefökonom BAK Economics.
Der Einbruch wirkt sich mit Sicherheit auch auf die Einkommen der Schweizer Haushalte aus. Für 2020 ist bereits heute klar: Die Corona-Krise wird ihre Spuren hinterlassen.
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