«Generation Corona connected»

    Nach der «Partynacht» von Basel – Was macht die Coronavirus-Krise mit den Jugendlichen?

    Hunderte Menschen feierten am ersten Wochenende nach den Lockerungen des Lockdowns in in der Steinenvorstadt in Basel, ohne jegliche Corona-Massnahmen zu beachten. Und dies auf engstem Raum – keine Spur von Social Distancing und Versammlungsverbot. Die meisten unter ihnen waren Jugendliche, beziehungsweise Angehörige der so genannten «Generation C».

    (Bild: PEXELS) Die Generation C (=connected) wird zur «Generation Corona connected».

    Viel zu reden gab sie – die «Partynacht von Basel». Schweizweit und über die Grenzen hinaus, waren die meisten empört ob des Verhaltensmusters der mehrheitlich jugendlichen «Usgänger» in der Steinenvorstadt. Polizei und Stadt mussten danach darüber nachdenken, wie solche Situationen zu verhindern seien. Die Basler Regierung hat zunächst mal einen dreistufigen Massnahmenplan für die Gastrobetriebe in der Steinenvorstadt beschlossen, um einen neuerlichen Menschenauflauf zu verhindern. So wird die am 12. Mai gewährte Ausdehnung der Aussenbereiche ohne Bewilligung in der Steinenvorstadt – und nur dort – sofort wieder rückgängig gemacht. Für Restaurants, Cafés und Bar in der Steinenvorstadt gelten jetzt wieder die Flächen für die Aussenbestuhlung gemäss den zuvor erteilten Bewilligungen. Die Polizei wird ihre Präsenz in diesen Rayon erhöhen und kontrollieren, ob sich die Gäste künftig an die Abstandsregeln halten. Falls nötig, würden Ermahnungen ausgesprochen und Bussgelder erhoben. Sollten diese Massnahmen keine Wirkung zeigen, will die Regierung als nächsten Schritt die Öffnungszeiten in der Steinenvorstadt bis 22 Uhr beschränken. Bringe auch das nichts, werde die Möglichkeit zur Aussenbewirtung in der Steinenvorstadt komplett aufgehoben – zumindest dort, wo dies notwendig sei.

    So weit die neuen Fakten. Aber es stellt sich die Frage, warum denn bei der «Zielgruppe» dieses «disruptive Verhalten» entsteht. Woher kommt diese Sorglosigkeit? Vielleicht hilft es zu verstehen, wie jene ticken und denken, die sich angesprochen fühlen müssten. Der Beitrag von André Angstmann – einem Coach und Trainer von Berufsbildenden und Lernenden, erschienen auf www.bildungsblog.ch – gibt etwas Aufschluss. Hier einige Passagen des Essays:
    Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Disruption, wie in letzter Zeit immer wieder heraufbeschworen, ist eingetroffen. Allerdings nicht, wie bisher vermutet durch Algorithmen, sondern durch die Natur. Die Generation C (connected) wird zur Generation Corona connected.
    Wir fühlen uns durch das Unsichtbare, das Unhörbare verunsichert. Unsere Antennen sind sensibilisiert, die Alarmglocke ist in Bereitschaft und läutet schon da und dort. Es wird gespäht und beobachtet. Dort wo die Vernunft das Zepter sonst fest in der Hand hält, macht sich Angst, Hoffnungslosigkeit und Resignation bereit. Unsere Gefühlswelt ist durcheinander und beginnt die Kontrolle zu übernehmen. Was macht dies nun alles mit den Jugendlichen?

    Freiheit – was bedeutet das im Moment?
    Die Jugendlichen möchten sich von den Eltern und den Autoritäten ablösen, sich von den Zwängen befreien, frei sein, tun und lassen, was einem beliebt, sich mit Gleichaltrigen treffen und sich auseinandersetzen, den eigenen Platz in der Gemeinschaft finden. Jetzt sind sie noch bis auf Weiteres angehalten, sich nur noch in Kleinstgruppen und wenn möglich mit zwei Meter Abstand zu treffen.

    Jugendliche möchten Kontakt, Beziehung, Berührung nicht nur über das Smartphone. Sie suchen die Nähe, oft auch die körperliche Auseinandersetzung, um ihre Identität bilden zu können. Wie werden nun Beziehungen geknüpft, wie wird erste Liebe und Sexualität gelebt? Wie bildet sich da überhaupt ihre Identität? Verbleiben sie in kindlichen Mustern, «eingesperrt» in der Familie oder bildet sich eine neue, reife soziale Sichtweise des Unterstützens und Helfens? Es ist im Moment schwierig abzuschätzen, wie die längerfristigen Auswirkungen sein werden. Eines ist jedoch sicher, dass 2020 nachhaltige positive und negative Einkerbungen hinterlassen wird.

    Generation C(onnected)
    Die Schule und oft auch der Arbeitsplatz wurde nach Hause verlegt. Noch sind – wir reden da von Ende Mai 2020 – nicht alle wieder im «normalen Modus». Zoom, Spotify, Webex und andere Internetlernformen sind nun im Vordergrund. Die Jugendlichen sitzen daher lange am Bildschirm, zu Hause, zum Teil auch neben Vater und Mutter, die oft auch Home-Office haben. Was geschieht da mit den Jugendlichen, die zur Selbstfindung angewiesen sind? Es tauchen Fragen auf wie: Wer bin ich? Was möchte ich sein? Wer muss ich sein?

    Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen verzichteten mehrheitlich zu Gunsten der Älteren und Alten. Sie unterstützen sie durch distanzierte Hilfeleistungen und können so dem Bedürfnis nach Solidarität nachkommen. Was bedeutet durchhalten zugunsten der Alten? Im Moment werden finanzielle Pakete geschnürt, die wenn einmal geöffnet, sich auf lange Frist erst konkret auswirken werden. Die Jungen bezahlen die momentanen Ausgaben beispielsweise über Steuern im Nachhinein. Wie lange wird dies noch mit offenen Augen tolerieren? Die Stimmung könnte sich rasch in Verbitterung, Wut und Aggression umwandeln. Vielleicht finden die Jugendlichen über den Verzicht und die Rücksichtnahme zu sich selber und ein neues Zeitalter, das die Alten wieder ehrt, bricht an. Autoritäten und Staatsmacht (Politik) wird wieder respektiert und geachtet. Die Antwort steht auch da noch aus.

    Tatsache ist: Es braucht nun Verzicht, doch Frustrationstoleranz ist sicher nicht die Stärke im Jugendalter. Jetzt sind die Jugendlichen auf sich selbst gestellt, die grosse Party ist (offiziell) abgesagt.

    Quelle: www.bildungsblog.ch

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