Das «Basler Dilemma» Kaufkraft versus «frei verfügbares Einkommen» pro Haushalt

    In den Beiden Basel hat man pro Jahr im Schnitt zirka 50’000 Franken Nettoeinkommen pro Einwohner

    Das Thema Standortattraktivität begleitet uns tagtäglich: Warum geht es uns am Dreiländereck besser (oder schlechter) als anderen Schweizerinnen und Schweizern? Wo steht der Grossraum Basel im nationalen Vergleich? Wie viel Geld haben die Einwohner/innen der Region im Jahr netto zur Verfügung?

    (Bild: zVg / Bilddatenbank Kanton BS) Basel: Teures Pflaster zum Leben – aber dennoch mit einigen «Pro-Basel-Killerargumenten»

    Ob man zufrieden ist oder nicht, hängt oft mit dem verfügbaren Nettoeinkommen zusammen. Was ist heisst das aber im Detail? Damit ist das einer Person verfügbare Einkommen inklusive staatlicher Leistungen wie Arbeitslosengeld, Kindergeld oder Renten nach Abzug der Steuern gemeint. Mit diesem Nettoeinkommen misst man jeweils auch die Kaufkraft pro Einwohner. Die Unterschiede sind je nach Wohnort gross: In manchen Kantonen erreichen die Einwohner/innen im Schnitt kaum 40’000 Franken Nettoeinkommen (zum Beispiel in der Romandie, in St. Gallen oder im Kanton Uri), in anderen wiederum bis zu 65’000 oder gar 70’000 (zum Beispiel in den Steueroasen der Innerschweiz und in Kantonen mit hoher Anzahl Topverdienern in Berufsfeldern mit hohen Gehältern).

    Baselland und Basel-Stadt auf den Plätzen 6 und 7
    Die Kantone Baselland und Basel-Stadt bewegen sich hierbei im nationalen Kaufkraft-Ranking der Kantone im oberen Mittelfeld bei knapp 50’000 Franken Nettoeinkommen pro Jahr und pro Person. Das ist knapp 3’000 Franken mehr als im nationalen Durchschnitt, aber immerhin 11’000 mehr als beispielsweise die Jurassier. Interessant zu wissen wäre jedoch: Kann sich ein/e Einwohner/in in Basel-Stadt mit knapp 50’000 Nettoeinkommen wirklich mehr leisten als jemand aus dem Jura mit knapp 38’700? Nur schon der Blick auf den Wohnungsmarkt und andere Preisunterschiede bei den Lebenshaltungskosten relativiert vieles.

    Zuger mit fast doppelt so viel Nettoeinkommen als Jurassier
    Erhoben werden diese Daten jeweils regelmässig vom Marktforschungsinstitut GFK, das in der neusten Studie die durchschnittliche Kaufkraft pro Einwohner in der Schweiz auf gut 47’500 Franken schätzt. Die höchste Kaufkraft weist Zug auf: Durchschnittlich 70’500 Franken haben die Bewohner des Kantons zur Verfügung und damit fast das Eineinhalbfache des Schweizer Durchschnitts. In den Tiefsteuerkantonen Schwyz und Nidwalden ist das verfügbare Nettoeinkommen mit jeweils über 63’000 Franken pro Kopf ebenfalls hoch. Wegen der relativ geringen Einwohnerzahl entspricht die Kaufkraftsumme dieser drei Kantone zusammen jedoch nur rund 5 Prozent derjenigen der gesamten Schweiz. Der einwohnerstärkste Kanton Zürich – rund 18 Prozent aller Einwohner der Schweiz leben dort – verfügt mit über 80 Milliarden Franken dagegen über knapp 20 Prozent der gesamten Schweizer Kaufkraft: Mit einem ebenfalls hohen Pro-Kopf-Durchschnitt landet Zürich im landesweiten Ranking auf Platz vier vor Genf. Am tiefsten ist die Kaufkraft mit 38’763 Franken im Kanton Jura (Quelle: GFK). Ist aufgrund der relativ guten Position (Plätze 6 und 7) der Beiden Basel im Kaufkraft-Ranking deshalb die Grossregion Basel attraktiver?

    Basel-Stadt und Baselland: Teures Pflaster für Familien?
    Eine andere interessante Studie – jene über das frei verfügbare Einkommen, das einem Haushalt nach Abzug sämtlicher wohnortsgebundenen Kosten übrig bleibt – relativiert die vorliegende Kaufkraft-Statistik 2018. Für rund 2’300 Gemeinden und Quartiere in Schweizer Grossstädten wurde dieses «frei verfügbare Einkommen» 2017 berechnet. Genf und Basel-Stadt sind dabei mit Abstand am unattraktivsten, aber auch Zürich, Neuenburg, Basel-Land und Waadt werden negativ bewertet. Ergo: Wer in Basel lebt, dem bleibt bei gleichem Einkommen am Ende des Monats weniger Geld für den freien Konsum übrig als in Kantonen wie beispielsweise Uri oder in ländlicheren Gebieten. Trotz höherem Nettoeinkommen! Dies gilt speziell für Familien. Und wie kommt man zu diesem Schluss? Die finanzielle Wohnattraktivität einer Gemeinde kann mittels eben diesem frei verfügbaren Einkommen dargestellt werden. Es bezeichnet den Betrag, der einem Haushalt unter Berücksichtigung aller Einkommenskomponenten und nach Abzug sämtlicher Zwangsabgaben und Fixkosten für den privaten Konsum zur Verfügung steht.

    Da dieser Wert je nach den spezifischen Eigenschaften eines Haushalts variiert, haben die Ökonomen (in diesem Falle die Verfasser der Studie der Credit Suisse) das frei verfügbare Einkommen für eine Vielzahl von modellhaften Haushaltstypen in den rund 2’300 Schweizer Gemeinden berechnet und einen Indikator für das frei verfügbare Einkommen in den Schweizer Kantonen und Gemeinden erstellt («Regional Disposable Income» oder RDI-Indikator).

    Wohnattraktivität einer Gemeinde: Messbare und nicht messbare Faktoren
    Nun stellt sich die Frage, was in diesem RDI-Indikator verankert beziehungsweise berücksichtigt wird. Natürlich sind die Mieten, Steuern und der Krankenkassensatz (Basel Stadt hat mitunter die höchsten Gesundheitskosten landesweit…) entscheidend. Dazu werden auch noch die Immobilienpreise, die Kosten für das Pendeln von Wohn- zu Arbeitsort und zurück sowie auch die Kinderbetreuung berücksichtigt. Es fällt auf, dass da die beiden Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft in finanzieller Hinsicht weniger «attraktiv» sind als etwa die Westschweizer Kantone mit ihren höheren Familienzulagen, den Krippensubventionen und Betreuungsabzügen. Ebenfalls auffällig: In einer Agglomeration zu wohnen ist teurer als in ländlichen Gebieten. Trotz höherer Mobilitätskosten lohne sich unter dem Strich ein Umzug in ländliche Gemeinden in vielen Fällen.

    Unternehmensattraktivität: Basel-Stadt bis 2020 auf der Überholspur?
    Eine der vielen Studien zur Standortattraktivität in der Region mit Ausblick 2017/18 zeigt zudem auch noch folgende Aspekte auf: In naher Zukunft werden sich die Unternehmensattraktivität und die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Basel Stadt wurde 2016 in einer Studie der Crédit Suisse zur Standortattraktivität für Unternehmen nicht mehr wie gewohnt auf dem dritten Platz gesetzt, sondern fiel auf den vierten Rang zurück. Dies sorgte damals für Aufsehen. Hinter den Kantonen Zug und Zürich belegte nämlich seit langer Zeit traditionell Basel-Stadt jeweils den dritten Platz in der illustren Rangliste der attraktivsten Standorte der Schweiz für Unternehmen. Eine steuerliche Attraktivität sowie die Verfügbarkeit von Fachkräften und Hochqualifizierten sowie die Erreichbarkeit (Verkehrsnetz und -anbindungen) sind die wichtigsten Faktoren für ein solches Ranking. Dass nunmehr hinter Zug und Zürich der Kanton Aargau liegt und nicht mehr Basel-Stadt, hat mit steuerlichen Entlastungen für Unternehmen zu tun, die erst jetzt so richtig greifen. Aber: In der Studie wird auch ein Ausblick auf 2020 gewagt. Diese liest sich für die Standortförderer der Region durchaus positiv. Basel-Stadt könne bis dahin an Zürich vorbei auf Rang 2 vorrücken, schrieben die Autoren. Dies, weil Basel-Stadt eine Reduktion des Gewinnsteuersatzes auf 13 Prozent durchführt und zudem der Kapitalsteuersatz auf ein Promille gesenkt werden soll.

    JoW


    Die «Killerargumente» für die Region

    Fakt ist, dass sich eine Standortattraktivität keinesfalls nur auf das Finanzielle herunter brechen lässt. Es gibt durchaus wichtige nicht messbare, aber real existierende und für die Lebensqualität spürbare Faktoren, die für die Standortattraktivität sprechen. Die Agglomerationen und Städte wie Basel und ein Kanton wie Baselland bieten ihren Einwohnerinnen und Einwohnern dafür andere Vorteile. Und genau da setzt die Kritik an solchen Studien ein. Einerseits gibt es sowohl für Privatpersonen, Familien wie auch generell für Arbeitende und Unternehmen viele «Killerargumente», sich für einen Wohnort in der Region zu entscheiden: Die Kultur am Dreiländereck ist weltoffen, speziell in Basel-Stadt. Denn das jahrhundertealte, direkt an der Grenze zu Deutschland und zu Frankreich gelegene Handelszentrum pflegt seit jeher einen regen Austausch mit anderen Kulturen. Ein weiteres Argument: Die Lebensqualität in der Messestadt und in der unmittelbaren Region. Basel bietet ausserdem kurze Wege und eine gewisse öffentliche Sicherheit. Ab Stadtmitte erreicht man den EuroAirport mit seinen Verbindungen in alle grossen Städte Europas in nur 15 Minuten. Über die Rheinhäfen ist die Schweiz mit dem Meer verbunden. Die Region Basel verbindet Nord- und Südeuropa und ist von strategischer Bedeutung für den transkontinentalen Frachtverkehr (Schiene und Strasse).

    Ein liberales Arbeitsrecht zeichnet zudem die Region Basel aus, die im Bereich Bildung und Forschung ein ansprechendes Niveau aufweist, wovon nicht zuletzt auch die dynamische Life-Sciences-Industrie profitiert. Basel verfügt über die weltweit höchste Dichte erfolgreicher Life-Sciences-Unternehmen. Von der Dynamik des Life-Sciences-Clusters profitieren ausser den Basler Pharma-, Biotech- und Medizintechnik-Unternehmen auch alle anderen Branchen in der Region.


    Die Standortfaktoren

    Anhand von ausgewählten Standortfaktoren werden auch die Wettbewerbsfähigkeit und die Standortattraktivität von Basel-Stadt dargestellt. Die Standortfaktoren prägen die Standortqualität und tragen massgeblich zur Wachstumsperformance der Wirtschaftsregion bei. Es zeigt sich, dass Basel-Stadt hinsichtlich der Erreichbarkeit und der Innovationsfähigkeit deutlich oberhalb des Schweizer Durchschnittes rangiert. Dabei ist der Kanton sowohl mit dem öffentlichen Verkehr als auch mit dem motorisierten Individualverkehr optimal erschlossen. Die hohe Innovationsfähigkeit spiegelt sich zum einen in der Zahl der Patente pro Kopf und zum anderen in der Forschungsqualität der Universitäten (Shanghai Index) wider. Wichtig für die Innovationskraft einer Region ist zudem die Verfügbarkeit an Hochqualifizierten, d.h. die sogenannte Tertiärquote. Auch hier weist Basel-Stadt eine überdurchschnittliche Ausprägung auf, die sich jedoch spiegelbildlich in einer entsprechend niedrigeren Sekundärquote niederschlägt. Bei der Besteuerung von Unternehmen gilt zu berücksichtigen, dass hier insbesondere die ordentlichen Gewinnsteuersätze Einfluss finden.

    Quelle: AWA

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